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Auf dem Hochstollen fing alles an

Roger-Engelberg

Der Hochstollen ist ein Berg von rund 2500 Metern Höhe, den man zu Fuss vom Hasliberg aus erreichen kann. In meiner Jugend war er für mich der schönste Berg überhaupt.Zu seinen Füssen liegt der Ort Melchsee-Frutt mit dem kleinen, blau-glitzerden See. Hier oben hatte ich in meiner Jugend die ersten Erlebnisse mit den Bergen gemacht. Da war einmal das Kletterabenteuer in Halbschuhen, das mir fast das Leben gekostet hätte, oder jener phantastische Sonnenaufgang, den ich Zeit meines Lebens nicht vergessen werde! Kurz nach Mitternacht machte ich mich damals mit Freunden auf den Weg. Wir stiegen von Alp zu Alp, und erreichten etwa gegen fünf Uhr morgens den Gipfel des 2500 Meter hohen Hochstollen.

Was uns die Natur hier bot überstieg alles, was ich mir je hätte ausmalen können. Ich wusste nicht, dass es so überwältigende Farben gab, die langsam und immer heller werdend ineinander überliefen, bis die Sonne mit ihrem Glanz über den fernen Gipfeln aufging.

Es sind viele, viele Jahre ins Land gezogen und der Hochstollen war bei mir fast in Vergessenheit geraten, als ich eines Tages die Gelegenheit hatte, ihn zusammen mit meiner Frau zu besteigen. Der Rundblick war wie immer phantastisch. Allerdings erwarteten wir auf dem Gipfel keinen Sonnenaufgang.
Es ist Nachmittag und drückend heiss. Über uns ballt sich langsam eine Cumuluswolke zusammen. Ob sich da ein Gewitter anbahnt? Die Route ist nicht schwer und für Gelegenheitswanderer wie uns wie geschaffen. Kurz vor dem Gipfel tut sich die Sicht gegen Norden auf und weit unter uns wird der Ort Melchsee-Frutt sichtbar. Wir entschliessen uns, oben eine kleine Mittagsrast einzulegen und nachher wieder den Abstieg unter die Füsse zu nehmen. Während wir uns an der Aussicht freuen und die Cumuluswolke über uns immer bedrohlicher zu werden beginnt, erscheint auf dem Gipfel ein Ehepaar, das sich schnaufend und schwitzend aus Richtung Melchsee-Frutt die steilen Felswände herauf quält. Auf ihren Rücken tragen sie übergrosse Rucksäcke. Die Frau macht sich gleich daran, ihre schweissdurchnässten Kleider auszuziehen und gegen trockene auszutauschen. Schnell sind wir mit den beiden im Gespräch. Thema: Wetter. Besorgt schaut der Mann zum Himmel und meint, dass es wahrscheinlich nicht regnen werden. Die beiden, müssen wir wissen, haben noch etwas vor. In ihren Rucksäcken verbergen sich Fluggeräte, die auch Gleitschirme genannt werden.

Ich habe noch nie einen Gleitschirm gesehen und will wissen, ob man damit von hier aus ins Tal fliegen könne. Nachdem der Mann uns seine Flugroute aufs genauste geschildert hat, wirft er einen Büschel Gras in die Luft um die Windrichtung festzustellen. "Ideal", meint er, "diesen Hang hinunter werden wir starten." Nun machen sie sich aber erst einmal gemächlich an das mitgebrachte Mittagessen. Fürs Leben gerne hätte ich gesehen, wie die beiden den Berg hinuntersegeln, doch der Anblick der Cumuluswolke über uns verrät nichts Gutes. So verabschieden wir uns und wünschen einen guten Flug. Während des Absteigens schaue ich immer wieder zum Gipfel zurück. Bis heute weiss ich nicht, ob die beiden Wanderer dort oben mit ihrem Gleitschirm je gestartet sind oder nicht. Gesehen habe ich sie auf alle Fälle nicht. Während wir uns der Mägenalp nähern, fängt es auch noch zu regnen an. Donner rollt über unsere Köpfe. Ein typisches Wärmegewitter entlädt sich über dem Hochstollen.


Die Möglichkeit, mittels eines modifizierten Fallschirms ins Tal zu schweben, faszinierte mich. Ob das auch für fünfzigjährige geht? Gleich am nächsten Tag durchstöberte ich den Bahnhofkiosk nach einem entsprechenden Magazin. Es muss doch ein Magazin geben, wo der Gleitschirm mindestens erwähnt wird. Da! Ich bin auf etwas gestossen, was mir weiterhelfen könnte. Es nennt sich "Drachenflieger". Beim Durchblättern entdeckte ich, dass das Magazin auch eine Sektion für Gleitschirme enthält, zudem viele Inserate von Herstellern und Flugschulen. Sofort setzte ich mich mit jener Flugschule in Verbindung, die meinem Wohnort am nächsten liegt. Noch ehe ich mir richtig bewusst wurde was geschah, sass ich mit vielen anderen zusammen im Theorieunterricht von “Brandi” im Saal eines Restaurants in Wald ZH......

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